Die gestörte Verdauung bei unbehandelter Zöliakie

Prof. Dr. med. Martin Storr
Prof. Dr. med. Martin Storr
Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie (LMU)
München
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Der Dünndarm ist bei der Verdauung das wichtigste Organ für die eigentliche Nährstoffaufnahme. Eine unbehandelte Zöliakie schädigt die Zotten der Dünndarmschleimhaut – und stört damit die Verdauung und die Aufnahme wichtiger Nährstoffe aus der Nahrung in den Körper. Welche Folgen das hat und wie der Dünndarm bei Zöliakie wieder regenerieren kann, erklärt Prof. Dr. Martin Storr, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie.

Wie läuft unsere Verdauung normalerweise ab? 

Unser Verdauungssystem beginnt mit dem Mund. Von dort gelangt der Speisebrei - idealerweise gut gekaut - durch die Speiseröhre in den Magen, wo er mit Magensäure und Enzymen durchmischt und in kleinere Bestandteile zerlegt wird. Dann wird der Speisebrei in kleinen Portionen schubweise in den Dünndarm transportiert: dem wichtigsten Organ für die eigentliche Nährstoffaufnahme. Denn im Dünndarm trifft der Speisebrei auf die Verdauungssäfte von Bauchspeicheldrüse und Gallenblase – und die zerlegen Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate in ihre kleinsten Bestandteile. Normalerweise gelangen diese Nährstoffe dann über die Dünndarmschleimhaut ins Blut- oder Lymphsystem und damit in den Körper. Dem verbliebenen Speisebrei werden im Dickdarm Wasser und Elektrolyte entzogen, bevor die unverdauten Reste über den Enddarm ausgeschieden werden.

Was passiert bei Zöliakie im Darm?

Die Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem überempfindlich auf das in vielen Getreidesorten enthaltene Klebereiweiß Gluten reagiert: mit einer Entzündungsreaktion im Dünndarm. Diese Reaktion schädigt insbesondere die Darmzotten. Das sind feine, fingerartige Ausstülpung der Dünndarmschleimhaut, die der Nährstoffaufnahme dienen. Durch die Schädigung der Zotten - die sogenannte Zottenatrophie - wird die Oberfläche des Dünndarms deutlich verkleinert, was die Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Nährstoffen stark beeinträchtigt und damit die Verdauung stört. Die gestörte Nährstoffaufnahme betrifft insbesondere Eisen, Vitamin B12, Folsäure, Calcium und fettlösliche Vitamine. 

Welche Folgen hat die gestörte Verdauung bei Zöliakie?

Eine typische Folge der gestörten Verdauung bei Zöliakie ist eine Minderaufnahme von Nährstoffen, die wir medizinisch als Malabsorption bezeichnen. Insgesamt können bei einer unbehandelten Zöliakie sehr unterschiedliche Symptome auftreten, wobei deren Ausprägung individuell sehr verschieden ist. Typisch sind Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfälle oder Verstopfung infolge der gestörten Verdauung im Dünndarm. Viele Betroffene leiden zusätzlich unter unspezifischen Beschwerden wie ausgeprägter Müdigkeit, Eisenmangel, Hautveränderungen, Konzentrationsstörungen oder depressiven Verstimmungen. Manche zeigen allerdings trotz ausgeprägter Schädigung im Dünndarm kaum Symptome, was die Diagnose zusätzlich erschweren kann.

Wie kann der Dünndarm bei Zöliakie regenerieren?

Eine Zöliakie ist sehr gut behandelbar. Allerdings besteht die aktuell einzige wirksame Therapie in einer lebenslang strikt glutenfreien Ernährung. Die gute Nachricht: Durch den vollständigen Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel kann sich die Dünndarmschleimhaut und damit auch die Verdauung im Dünndarm in der Regel vollständig regenerieren. In den meisten Fällen nehmen die Beschwerden schon binnen wenigen Wochen deutlich ab oder verschwinden sogar ganz. Erfreulich ist, dass gleichzeitig auch das Risiko für langfristige Folgeerkrankungen signifikant sinkt.

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