Getreideassoziierte Erkrankungen: welche gibt es und wie häufig sind sie?

Prof. Dr. med. Martin Storr
Prof. Dr. med. Martin Storr
Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie (LMU)
München
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Der Verzehr von Getreideprodukten bekommt nicht allen Menschen gut – und macht manchmal sogar krank. Wie häufig das vorkommt, hängt von der Art der getreidebedingten Erkrankung ab: Von einer Zöliakie sind 1%, von der Weizenallergie weniger als 1% der Bevölkerung betroffen, bei der Gluten-/Weizensensitivität sind es schätzungsweise 2 bis 10 %. Auch beim Reizdarm treten mitunter getreideassoziierte Beschwerden auf – und diese Erkrankung kommt mit bis zu 15 % sogar noch häufiger vor. Genau weiß und erklärt das der Gastroenterologe Prof. Dr. Martin Storr.

Warum reagieren manche Menschen auf Getreide?

“Menschen reagieren aus unterschiedlichen Gründen auf Getreide. Bei manchen kommt es zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion gegen den Getreideinhaltsstoff Gluten, wie bei Zöliakie. Bei anderen kommt es zu einer klassischen allergischen Reaktion auf Weizen, wie bei der Weizenallergie. Andere wiederum leiden unter einer sogenannten Weizensensitivität oder Glutensensitivität: Hier werden wissenschaftlich noch verschiedene Auslöser diskutiert – neben Gluten auch FODMAPs, ATIs oder andere Getreidebestandteile. Auch funktionelle Darmerkrankungen wie der Reizdarm können mit getreideassoziierten Beschwerden einhergehen, wofür meist der Ballaststoff- oder FODMAP-Anteil ausschlaggebend ist.

Welche getreidebedingten Erkrankungen gibt es?

Zu den getreideassoziierten Erkrankungen zählen die Autoimmunerkrankung Zöliakie, die Weizenallergie, die Gluten-/Weizensensitiviät sowie manche Reizdarm Formen. Diese Erkrankungen überlappen sich in ihren Beschwerdebildern, unterscheiden sich aber deutlich in ihrer Ursache und Häufigkeit:
 

  • Die Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das in vielen Getreidesorten enthaltene Gluten eine Reaktion des Immunsystems auslöst. Dadurch wird die Darmschleimhaut geschädigt, woraus verschiedenste gesundheitliche Störungen entstehen können. 
  • Die Weizenallergie ist eine klassische allergische Reaktion, bei der das Immunsystem sofort auf bestimmte Eiweiße im Weizen reagiert. Eine Sonderform der Weizenallergie ist die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (WDEIA): Hier treten allergische Symptome - bis hin zum allergischen Schock - nur auf, wenn Weizenverzehr mit körperlicher Anstrengung kombiniert wird.
  • Darüber hinaus gibt es die sogenannte nicht-Zöliakie, nicht Weizenallergie Weizensensitivität (NZNW-WS) und deren Unterform die nicht-Zöliakie, nicht Weizenallergie Glutensensitivität (NZNW-GS). Auch hier treten getreideassoziiert Beschwerden auf, die sich ähnlich äußern können – dabei ist aber weder eine Autoimmunerkrankung noch eine Allergie nachweisbar. 
  • Auch viele Patientinnen und Patienten mit einem Reizdarm berichten über eine Empfindlichkeit gegenüber Getreide. Das kann durch Getreidebestandteile wie Ballaststoffe und FODMAPs bedingt sein. 
     

Wie häufig sind Zöliakie, Weizenallergie, Gluten-/Weizensensitivität & Co.?

Die Zöliakie betrifft statistisch etwa eine von 100 Personen. Aufgrund der oftmals versteckten Symptome wissen viele Betroffene allerdings nichts von ihrer Erkrankung. Die Weizenallergie ist etwas seltener, ihre Häufigkeit in der Bevölkerung wird mit unter 1% angegeben. Wie viele Menschen mit einer Gluten-Weizensensitivität leben, kann aufgrund fehlender Diagnosetests nur vermutet werden: Schätzungen zufolge reagieren 5 bis 10 % der Bevölkerung empfindlich auf Weizen, ohne dass eine Zöliakie oder Weizenallergie vorliegt. Das Reizdarmsyndrom betrifft 10 bis 15 % der Menschen und geht häufig mit individuellen Unverträglichkeiten einher – wie viele auf Weizen oder Getreideprodukte reagieren, lässt sich allerdings nicht genau beziffern.

Wie erkenne ich eine getreidebedingte Erkrankung?

Getreideassoziierte Erkrankungen bleiben häufig lange unerkannt, weil die auftretenden Symptome zum Teil vage und oft unspezifisch sind – und deshalb nicht eindeutig zugeordnet werden können. Typische Beschwerden bei getreideassoziierten Erkrankungen sind Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfälle oder auch Verstopfung. Häufig treten auch Beschwerden außerhalb des Verdauungstrakts auf, beispielsweise Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautveränderungen oder Stimmungsschwankungen. Über die Symptome abgrenzen lässt sich davon nur eine Weizenallergie, wenn dabei auch Allergiesymptome wie Hautrötung, Hautschwellung, Juckreiz, Atemnot und Anaphylaxie auftreten. 
Bei getreidebedingten Beschwerden ist eine ärztliche Untersuchung deshalb unerlässlich: als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Diagnose – und damit zur richtigen Behandlung.“

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