Bei Menschen mit Zöliakie führt der Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel zum Abbau der Dünndarmschleimhaut. Außerdem ist bei ihnen häufig ein Ungleichgewicht des Darmmikrobioms festzustellen – aber ist das Ursache oder Folge der Erkrankung? Den Zusammenhang zwischen Mikrobiota, Darmgesundheit und Zöliakie erläutert für uns die erfahrende Diätassistentin und Dipl. Medizinpädagogin Birgit Blumenschein.
„Das menschliche Mikrobiom beziehungsweise die menschliche Mikrobiota ist ein Sammelsurium aus unglaublich vielen Mikroorganismen. Dazu zählen Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze – Schätzungen zufolge bis zu 100 Billionen! Das sind zehnmal mehr, als wir überhaupt an Körperzellen haben. Mit dieser riesigen Zahl vor Augen ist klar, dass wir noch längst nicht alles über die Einflüsse wissen können, die das Mikrobiom auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hat. Und dazu zählen insbesondere auch die Einflüsse der intestinalen Mikrobiota auf die Darmgesundheit.“
Dysbiose: wenn die Darmflora aus dem Gleichgewicht gerät
„Normalerweise ist es so, dass wir in unserem Darm ein gewisses Maß an nützlichen Mikroorganismen beherbergen und daneben auch solche, die eher ungünstig sind. Im Idealfall ist die Relation so, dass man insgesamt von einem gesunden Gleichgewicht sprechen kann. Es gibt aber verschiedene Einflüsse, die hier zu einem Ungleichgewicht führen. In Fachkreisen bezeichnet man das dann auch als Dysbiose.“
Mikrobielle Dysbiose bei Zöliakie:
Ursache oder Folge?
„Untersucht man die intestinale Mikrobiota von Menschen mit Zöliakie, findet man Unterschiede zum Mikrobiom von Nicht-Betroffenen. So sind hier beispielsweise oft weniger Bifidobakterien zu finden. Aber ist eine solche Dysbiose bei Zöliakie Ursache oder Folge? Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das in vielen Getreidesorten enthaltene Klebereiweiß Gluten eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut bewirkt. Durch diese Entzündung wird die Schleimhaut abgebaut – und das führt dann auch zu einer Veränderung der Schleimhaut-assoziierten Mikroorganismen. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang aber auch, die Gluten-Verdauung etwas genauer unter die Lupe zu nehmen: Gluten-Proteine sind sehr stabil und werden im Darm nicht vollständig abgebaut. Bei der Verdauung verbleiben daher Restteile im Darm, sogenannte Gliadin-Peptide. Bestimmte Bestandteile der gesunden Mikrobiota wie Laktobazillen und Bifidobakterien können die Gliadin-Verdauung optimieren. Es wird vermutet, dass sie auf diese Weise einen schützenden Einfluss auf die Schleimhaut ausüben können. …aber auch wenn wir heute wissen, dass das Mikrobiom einen Einfluss auf die Verwertbarkeit des Glutens und damit die Darmgesundheit von Menschen mit Zöliakie hat, ist noch etliche Forschungsarbeit zu leisten, um diese Erkenntnisse auch nutzen zu können – beispielsweise, ob und welche Probiotika hier einen positiven Einfluss haben könnten.“
(Birgit Blumenschein, Diätassistentin und Dipl. Medizinpädagogin)